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Der Weg ist das Ziel

Zeitumstellung auch in Marokko, deswegen stellten wir zum ersten Mal auf unserer Reise den Wecker. Völlig umsonst wie sich herausstellen sollte, denn schon wenig Kilometer hinter Ait Ben Haddou auf dem Weg hinein ins Gebirge wurden wir ausgebremst. An einer Baustelle für eine neue Brücke wurde die Umleitung durch den Fluss auf Grund der reißenden Strömung teilweise weggespült. Zum Glück war an einem Sonntagmorgen vor 9 Uhr ein Baggerfahrer zur Stelle, der uns den Weg ebnete.

CIMG6202Entlang der alten Paßstrasse, auf der noch vor 60 Jahre Kamelkarawanen hochzogen, fuhren wir durch malerische Dörfer auf das Hochplateau von Telouet.

CIMG6256Hier herrschte einst ein gewisser Thami el-Glaoui, genannt der Löwe des Atlas, der als Kollaborateur der Franzosen zum mächtigsten Mann aufstieg. Dank Mädchenhandel, Prostitution, Steuerprivilegien, Monopolrechten erwarb er immensen Reichtum und verwandelte die alte Lehmkasbah in einen prunkvollen Märchenpalast mit Annehmlichkeiten wie Glasfenster, Zentralheizung und Elektrizität. Heute ist von der einstigen Pracht nur noch wenig übrig.

CIMG6285CIMG6271Anschließend fuhren wir auf die Passhöhe von 2260 Metern und machten mit den verbliebenen Schneeresten eine Schneeballschlacht.

CIMG6298Sanne gewann einen Abstecher zu einer Frauenkooperative in der alles Erdenkliche aus Arganfrüchten gewonnen wird – von Arganöl bis Amlou.
Der Rückweg nach Ouarzazate gestaltete sich auf Grund der kanonenkugeltiefen, manchmal auch autogroßen Schlaglöcher als recht ermüdend.

CIMG6302Entsprechend platt kamen wir im Riad an.
Der ebenfalls leicht ermattete Herr Konfuze raffte sich dennoch auf und erweiterte die konfuzianische Relativitätstheorie um den Ermüdungsfaktor:

 

Filmreif

Wir starteten unseren Tag mit einem üppigen Frühstück, es gab sogar endlich Amlou. Dieses ‚Berber-Nutella‘ besteht aus geriebenen Mandeln, Arganöl und Honig und schmeckt ausgesprochen lecker.

IMG_0458Danach machten wir uns daran, das Draa-Tal nach Norden zu durchfahren. Befestigte Lehmdörfer, Kasbahs und viele Dattelpalmen säumten den Weg.

IMG_0480In Agdz landeten wir unversehens in einem offiziellen Empfang zu Ehren des Provinz-Gouverneurs.

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Wir überquerten den kurvenreichen Pass des Jebel Saghro, vor uns die herrliche Kulisse der schneebedeckten Atlasgipfel.

IMG_0516Am frühen Nachmittag erreichten wir Ouarzazate, das Zentrum des Südens und gleichzeitig Hollywood Marokkos.

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Reisefant witterte sofort seine Chance und ging mit Herrn Willibald und Herrn Konfuze in die Atlasstudios zum Casting für einen neuen Monumentalschinken mit dem Arbeitstitel „Drei Supernasen auf der Reise zum Mittelpunkt der fabelhaften Welt des Ben Hur“. Der Plot des neuen Streifen in groben Zügen: Der Medicus (Herr Konfuze) geht zusammen mit der Päpstin (Herr Willibald) und Alexander (Reisefant) auf die Jagd nach dem Juwel vom Nil. Irrtümlich landen sie zunächst in Troja, dann in Babel. In Sodom und Gomorrha spüren sie den Hauch des Todes. Zum finalen Show-down kommt es beim Kampf mit dem Gladiator, bei dem Herr Konfuze den schwer verwundeten Reisefant rettet. Schlussszene: Herr Willibald reitet Hand in Hand mit dem wieder genesenen Reisefant in den Himmel über der Wüste, während der Medicus eine Schönheitsklinik eröffnet, wo er Lawrence von Arabien neue blaue Kontaktlinsen einoperiert.

Wir hingegen reisten weiter nach Ait Ben Haddou, um die Filmkulisse in Augenschein zu nehmen. Dabei scheuten wir keine Mühen und hüpften von Sandsack zu Sandsack über den reißenden Oued Mellah.

IMG_0531Herr Konfuze resümiert: „Wenn 11 Stränge sich zu 12 verquicken, 3 neue Stars die Welt erblicken. Der Oscar winkt den Superhelden, die sonst bei uns im Rucksack zelten.“

PS: Die im Plot zitierten Filme sind tatsächlich alle hier gedreht worden, der Rest der Handlung ist frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig.  Autogrammwünsche könnnen auf Grund des Ansturms nur online erfüllt werden.

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Wüste Wüste

Nach einem wunderbaren Frühstück auf der sonnigen Terrasse mit Blick über die Oase, machten wir uns auf den Weg durch die Ebene zwischen Antiatlas und Jebel Bani zu fahren. Da diese Gegend sehr dünn besiedelt ist, wollten wir sicherheitshalber trotz mehr als halbvollen Tanks noch etwas Sprit nachlegen. Doch kaum waren 0,88 Liter im Tank, streikten die Zapfsäulen wegen eines Stromausfalls in der ganzen Stadt. Nach einer viertelstündigen Wartezeit entschieden wir uns dafür, auf die nächste kleine Stadt Foum Zguid zu vertrauen.

CIMG6122Nach einer einstündigen Fahrt durchs Nirwana fanden wir tatsächlich eine funktionierende Tanke sowie die hilfreiche Information, dass die in der Karte eingezeichnete Piste mittlerweile zu einer asphaltierten Straße ausgebaut ist, was uns geschätzte 100 km Weg ersparte. Und so fuhren wir weiter durch die erstaunlich grüne Ebene und erfreuten uns an verschiedenfarbigen Blümchen, deren Namen wir mal wieder nicht kennen. Am Rande der unglaublich breiten Wadis (Trockenflusstälern) hatten Nomaden ihre Zelte aufgeschlagen und ihre Ziegen- und Kamelherden weideten am frischen Grün.

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CIMG6117Am späten Mittag erreichten wir Zagora und wie es sich für einen Freitag in Marokko gehört, speisten wir Couscous. Dann machten wir uns auf die Suche nach dem berühmten Schild für Transsahara-Karawanen, dass von Zagora bis Timbuktu noch 52 Tage vor ihnen lagen. Da keine von uns so viel Urlaub hat, verzichteten wir auf diesen kleinen Abstecher.

CIMG6124Stattdessen checkten wir in unserem idyllischen Riad ein – eine Oase in der Oase.

Im südlich benachbarten Dorf Tamegroute besuchten wir die berühmte Wallfahrtsstätte um das Grab des Gründers einer Bruderschaft islamischer Mystiker (Sufis), zu der eine einzigartige Bibliothek und eine Koranhochschule gehören. Außerdem pilgern die Marokkaner zum Grab dieses Marabouts, weil sie sich Heilung und andere Wunder versprechen.

CIMG6129Da schon im 17. Jh. Töpfer aus Fes diese Wallfahrt machten und sich dauerhaft niederließen, entwickelte sich Tamegroute zu einem Zentrum für Töpferei. Berühmt sind vor allem ihre grün glasierten Tonwaren.

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Herr Konfuze – orientalischen Träumereien erlegen – fabuliert: „Als Pascha mag ich es mich auszuruh‘n, die Arbeit lass ich andre tun.“

Wo Falten richtig gut aussehen

Bei strahlendem Sonnenschein spazierten wir zu einem traditionellen Lehmhaus im Berberdorf Oumesnat. Mustapha brachte uns das Knacken von Arganienfrüchten bei, führte und in das traditionelle Leben in einer Berberfamilie ein und bereitete für uns eine Teezeremonie zu.

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IMG_0392 IMG_0401Wir ergriffen die Flucht bevor die herannahende Studiosus-Gruppe einfiel und machten uns auf den Weg, den Antiatlas zu überqueren.

Auf dem ersten Teilstück hielten uns immer wieder Baufahrzeuge und Schlaglöcher auf, so dass unsere durchschnittliche Reisegeschwindigkeit bei 20-30 km/h lag. Kurz vor Igherm wurde die Straße dann deutlich besser und die Landschaft immer abwechslungsreicher. Fast wie im Lehrbuch für Geologie waren die Gesteinsschichten mal längs, mal quer und mal im Zickzack in Falten gelegt.

IMG_0417Auf den Feldern arbeiteten die Frauen in traditionellen Gewändern, sammelten Arnika und holten Wasser mit dem Esel – oft Kilometer weit von ihren Dörfern entfernt. Unsere Reisegeschwindigkeit stieg rapide an, wurde nur durch viele Fotostopps immer wieder reduziert.

IMG_0438Am Nachmittag erreichten wir die Oasenstadt Tata – nicht zu verwechseln mit der indischen Bahn – tataaaa! Wir quartierten uns in einer alten Kasbah – einer Stammesführer-Residenz – hoch über den Wipfeln der Palmen ein. Auf der Terrasse genossen wir Sonne, Wärme und ein erstes marokkanisches Bier der Marke Casablanca. Süffig lecker!

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Herr Konfuze verbeugt sich in bester asiatischer Manier mit einer 3/8-Verneigung und deklamiert: „Wer beim Anblick von Bommeln den Kopf verneigt, dem öffnen sich alle Türen.“

Auf verschlungenen Pfaden zu den Ammeln

IMG_0350Kurz nach der Abfahrt tauchten schon die ersten Fotomotive auf: Schafe und Ziegen für Sanne, schneebedeckte Atlasgipfel für Heike und an den zinnenbekrönten Stadtmauern erfreuten wir uns beide.

IMG_0335Nach dem Motto der Weg ist das Ziel, machten wir uns auf die Suche nach dem angeblich gut erhaltenen Getreidespeicher (Agadir) von Innoumar. Leider geizen die Marokkaner mit Straßenschildern an strategisch wichtigen Stellen, so dass wir erst nach dreimaligem Nachfragen und einigen Umwegen auf der richtigen Piste landeten. Diese jedoch wurde zunehmend unwegsamer.

Nachdem uns zunächst in einem Dorf ein wild kläffender Hund den Weg versperren wollte, endete unsere Suche schließlich dort, wo die Betonpiste in eine zerklüftete und deformierte Lehmpiste überging. Da die Straße auch zum Wenden in dreißig Züge zu schmal war, blieb nur noch eins: rückwärts zurück zum Hund…

Schließlich machten wir uns auf den Weg in den Antiatlas hinein. Doch schon wartete die nächste unvorhergesehene Abweichung der geplanten Route. Dank einer Umleitung fuhren wir auf – selbstredend unbeschilderten – Straßen über uns noch immer namentlich unbekannte Dörfer. Die Landschaft entpuppte sich aber als ausgesprochen sehenswert. Unzählige Arganien, Euphorbien, Mandelbäumchen und bunter – mangels botanischer Kenntnisse Getöns genannte – Pflanzen. Besonders fotogen präsentierte sich auf einem Hügel der Agadir Souk el-Khemis-des-Ida-Ougnidif.

IMG_0350Kurz danach fanden wir dann auch endlich ein Restaurant, um unsere immer lauter knurrenden Mägen zu besänftigen. Schließlich erreichten wir das Tal der Ammeln und fuhren dann in den Hauptort dieses Berberstammes, Tafraoute. Bizarre Felsformationen wie der Napoleonshut oder die blauen Steine, die der belgische Künstler Vérame in den 80-er Jahren anpinselte, erinnern an ein Billardspiel von Riesen.

IMG_0375Herr Konfuze bibbert vor blauem Himmel: „Wer kein marokkanisches Hündisch versteht, lernt rückwärtsfahren.“