Archiv der Kategorie: Armenien & Georgien

Seidenstraßen-Schnuppertour

Vor unserer Abfahrt statteten wir der benachbarten Lavasch-Bäckerei einen Besuch ab. Die drei Damen vom Erdofen sangen nach einer 15-Stunden-Schicht ein Loblied auf ihren Chef, einem Frauenversteher vor dem Herrn. Da gibt es schon mal einen Mantel anlässlich des Weltfrauentags, eine Gratifikation zum Geburtstag, Ausflüge und Essenseinladungen an Feiertagen.

Bäckerei

Anschließend ging es zur längsten Seilbahn der Welt mit 5.752 m, die uns zum Kloster Tatev brachte. 896 gegründet, von Seldschuken zerstört und im 14. Jh. durch die Orbeliden wieder aufgebaut. Zentrum dieses großen Komplexes ist die Peter-und-Paul-Kirche, in der wir gerade noch die letzten Minuten der Morgenmesse miterlebten. Zum Kloster gehörte auch eine Bibliothek, ein Refektorium, Mönchszellen und ein Bischofssitz und von fast überall hatte man tolle Ausblicke in die tiefe Schlucht und wunderschöne Landschaft.

SchluchtTatev1Tatev TatevMesse

Auf der armenischen Seidenstraße fuhren wir durch das Zangeziri-Gebirge an den Arpa-Fluss, wo wir Mittag machten. Wir folgten der Seidenstraße über den 2.410 m hohen Selim-Pass. Kurz vor der Anhöhe besichtigten wir die kleine, alte, gut erhaltene Karawanserei mit Schlafnischen für die Händler und Futtertrögen für die Pferde.Seidenstraße

Selimkarawanserei

Bei schönstem Nachmittagslicht fuhren wir weiter über die Hochebene mit ihren unendlichen Weiten, zig Schattierungen in Gelb, Schaf-, Ziegen- und Kuhherden und unzähligen Adlern, die majestätisch über uns ihre Kreise zogen. Schon kurz später erblickten wir zum ersten Mal den Sewan-See, die „blaue Perle Armeniens“. Bei Martuni, der ‚Kartoffelstadt‘, erreichten wir das Ufer des Sees, das gesäumt ist von dick mit Früchten behangenen Sanddornsträuchern – sehr zu Milenas Begeisterung. In Noratus besuchten wir einen weitläufigen Friedhof mit zum Teil uralten Kreuzsteinen und Grabplatten, die mit Szenen aus dem Leben der Verstorbenen dekoriert sind.

Noratus2

Abends erreichten wir das Harsnakar-Hotel in Sewan, das den geballten Charme des sowjetischen Neo-Barocks verströmt, inklusive eines blauen Plüschteppichs, der weicher ist als unsere Betten, bestehend aus einer zwei Zentimeter dicken – oder eher dünnen – Schaumstoffmatte auf einem Holzbrett. Im Speisesaal, der locker mehrere hundert Personen fassen kann, verloren sich neben uns nur noch zwei weitere Personen – zum Gruseln. Dafür machten unsere Armenisch-Kenntnisse deutliche Fortschritte. Nach dem Fisch-Essen bestellten wir haj gagan surtsch und chotabuizerov thej und zum Mitnehmen gitronov thej met thejnikov vorovhatev ankeruhis hiwand e. Alles klar?!

Herr Konfuze resümierte: „An unbeschiffbaren Seen, ruht man auf Bügelbrettern.“

Von hohen Bergen und kleinen Kerzen…

Endlich! Heute zeigte er sich erstmals in Gänze, der Ararat. Als besonders schöne Kulisse zusammen mit dem Kloster Chor Virab und den Weinstöcken der Arax-Ebene. Nur wenige Meter trennten uns hier von der türkischen Grenze. In diesem Kloster schmorte Grigor, der Erleuchter dreizehn Jahre lang zusammen mit Schlangen und Skorpionen (und Riesen-Wallern, haha) bei Wasser und Brot.

ChorVirap

Auf unserem Weg zum nächsten Kloster passierten wir am Eingang einer wild-romantischen Schlucht eine Höhle, in der vor wenigen Jahren der älteste Lederschuh der Welt gefunden wurde. Modell: Damenschuh, Größe: 37-38. Da der zweite Schlappen noch abgängig ist, hat Sanne auf die Anprobe verzichtet.

Am Ende der Schlucht aus rötlichem Gestein thronte das frisch renovierte Kloster Noravank auf einem Plateau. Unter der Orbeljan-Dynastie im 14. Jh. wurde Noravank als Familienkirche und –gruft gebaut, bestehend aus insgesamt drei Gebäudeteilen, die besonders reich verziert wurden. Dafür wurde eigens ein Architekt namens „Kleine Kerze“ (armenisch: Momik) aus Kilikien (heutige Türkei) engagiert.

Noravank

Zurück an der Hauptstraße hielten wir in Areni und wurden im Haus beziehungsweise Garten von Milenas Schwiegereltern bewirtet. Leckeres Chorovats – Schaschlik – aus ddem Erdofen und zum Abschluß eine Weinprobe mit rotem Areni-Wein und Granatapfelwein – hicks!

Schaschlik

Nachmittags fuhren wir über Gebirgspässe in den Süden des Landes. Auf einer kahlen und windumtosten Hochebene auf 1.700 m spazierten wir zum armenischen Stonehenge, Zorar Karer. Vermutlich ein megalithisches Sonnen- oder Sternobservatorium mit 200 Hinkelsteinen, viele davon kreisrund durchbohrt, um was auch immer zu beobachten. Abends erreichten wir die Stadt Goris, bislang der kühlste Fleck auf unserer Reise mit 17°C.

ZorarKarer

Schweren Herzen hat sich Herr Konfuzian von seinen Kollegen bei Radio Yerevan verabschiedet und begleitet fortan, wie gewohnt philosophisch, unsere kleine Reisegruppe. Langsam zu alter Form auflaufend, gab uns Herr Konfuze folgende Worte mit auf den Weg: „Wer in Schach Abi macht, kickt auch auf Tore aus russischem Gas.“

 

Glücksrad auf armenisch – ich kaufe ein jetsch‘

Der heutige Tag stand ganz im Zeichen der armenisch-apostolischen Kirche. Wir starteten mit dem Besuch von Zvarthnots. Die ehemalige Palastkirche – heute Ruine – wurde an der Stelle errichtet, an der der armenische König Trdat III. Grigor den Erleuchter traf, der ihn zum Christentum bekehrte. Wegen seines christlichen Glaubens ließ ihn der grausame und tyrannische König 13 Jahre in einem Kerker schmoren. Als aber Trdat an einer Krankheit litt, die ihn wie ein Wildschwein aussehen ließ, konnte ihn nur der fromme Grigor heilen. Und so ließ der genesene König verlautbaren, dass alle Armenier fortan die christliche Religion annehmen sollten, wodurch die armenische Kirche als die älteste Staatskirche der Welt gilt.

Nächste Station war auch gleichzeitig die nächste UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt Etschmiadsin. Durch die Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian kam im frühen 4. Jh. ein Grüppchen von 29 Nonnen hierher ins Exil. König Trdat III. verliebte sich stande pedes in die wunderschöne Nonne Hriphsime, die ihn aber nicht erhörte. Und so ließ der abgewiesene Freier die junge Schöne und alle ihre Gefährtinnen töten. Zu Ehren der standhaften Nonne und ihrer Äbtissin Gajane ließ man je eine Kirche errichten.

Dann hieß es, Katholikos gesucht… Das Oberhaupt der armenischen Kirche sollte in einer feierlichen Prozession von seinem Palast in die Kathedrale einziehen. Tat er aber nicht, ätsch! Stattdessen ließ er sich von zahlreichen Würdenträgern vertreten, die während der zweistündigen Messe mit Weihrauch nicht geizten. Gottesdienst2

 

 

 

 

 

Wir hielten eine Stunde durch… Interessant war der Gegensatz zwischen tiefer Frömmigkeit einerseits und Volksfestcharakter andererseits.

Gottesdienst1

 

 

 

 

Anschließend fuhren wir von der Ararat-Ebene in den Kaukasus hinein. Im Schatten der vier Gipfel des Berges Aragat genossen wir auf 2.000 m herrlich kühle Temperaturen (20°C), ein herrliches Mittagessen und die Aussicht auf die Festung Amberd.

Amberd

In der Nähe des Dorfes Artaschavan standen auf einem Feld die armenischen Buchstaben – überlebensgroß! Wir ließen uns von Milena unsere Anfangsbuchstaben zeigen, doch leider förderte auch das unsere Lernerfolge im Armenischen nicht wirklich… Schnor… und alles andere. (Zur Erklärung: wir versuchen uns seit Beginn der Reise vergeblich am Wort für ‚Danke‘: schnorhakaluthjun)

armenisch

Unser letzter Besuch heute galt dem Kloster Saghmosavankh, dem ‚Psalmenkloster‘. So genannt, wegen seines ehemals bedeutenden Skriptoriums.

Frage an Herrn Konfuzian: „Kann man den Vatschivatschutjan eigentlich auch abkürzen?“

Antwort: „Im Prinzip ja. Nur zieht man sich damit den Unmut der einheimischen Reiseleiterin zu.“

Philosophische Betrachtungen über Birnen, Bier, Basilikum

Zum ersten Mal verlassen wir Yerevan und fahren in die Provinz Kotayk. Auf der Holperstrecke zu unserem Ziel Garni machen wir Halt am Ararat-Bogen. Der zeigt weiterhin nur schüchtern sein Schneehäubchen. Dafür zeigt sich die Azat-Schlucht in ihrer vollen Pracht. Oberhalb der Basalt-Blöcke, die wie steinerne Orgelpfeifen aussehen, erhebt sich auf einem Plateau der Sonnentempel von Garni.

Im Jahre 66 wurde dieser Tempel für den Sonnengott Mithras errichtet und erst im 17. Jh. Zerstört. Mitte der 60-er Jahre wurde der Tempel dann originalgetreu wieder aufgebaut. Der griechisch-römische Pseudo-Peripteros blieb als einziges heidnisches Bauwerk nach Annahme des Christentums erhalten, weil er als Sommerresidenz der Könige diente. Nach einem Besuch im antiken Badehaus genießen wir Frisch von Baum gepflückte Birnen, melancholische armenische Klänge untermalen die idyllische Stille. Nachdem mehrere Busladungen Touris einfielen, fuhren wir weiter zum Kloster Geghard.

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Der Klosterkomplex, in dem die Lanzenspitze (arm.: Geghard) mit der Christus in die Seite gestochen wurde, aufbewahrte, besteht aus seiner Reihe von Gebäuden, die in den Felsen geschlagen sind. Wir lernen typische armenische Stilelemente in der Architektur kennen, wie die armenischen Nischen, Gawits (westliche Vorhallen), Chatschkare (‘Kreuzsteine’, Steinplatten mit zentralen Kreuzreliefen) und Kathogiken (Hauptkirchen eines armenischen Klosters) kennen. Der älteste Teil besteht aus einer Höhlenkirche, in der eine Quelle mit vermeintlich heilkräftigem Wasser entspringt, das die Einheimischen abfüllen und mitnehmen. In der Grabeskapelle der Proschiden erlebten wir zufällig wie ein Quintett religiöse Lieder zum Besten gab. Ein tolles Klangerlebnis!

Mittag hatten wir eine weitere Gelegenheit unsere Studien zur armenischen Küche zu ergänzen. Nachdem gestern unsere anfängliche Begeisterung einen herben Dämpfer erlitten hat (steinharte Kalbsleber, trockenes Hühnchen) keimt angesichts der Vorspeisen wieder Hoffnung auf. Aus verschiedenen Salaten, Quark, Käse und vielen frischen Kräutern (rotem Basilikum, Petersilie, Dill, Schnittlauch) rollt man sich im Lavasch (armenische, dünne Brotfladen) seinen Wrap. Doch die Ernüchterung kam mit dem Hauptgericht: Rindfleischstücke ohne Sauce und durcher als durch! (Nein, noch durcher!!!) Zum Nachspülen gibt es Kräutertee oder armenischen Kaffee.

Nachmittags waren wir in der berühmten Yerevaner ‚Konjak-Brennerei Ararat‘ und gingen dann auf die Vernissage. Auf diesem großen Flohmarkt gibt es Kunst, Kitsch und Krempel.

Frage an Herrn Konfuzian: „Ist Cognac ein typisch armenisches Getränk?“

Antwort: Im Prinzip ja. Aber auch Kilikia, Gjumri und Erebuni sind typisch und von Bierliebhabern bevorzugt! Bari achorschak!