Archiv für den Tag: 22. September 2014

Märkte und Messen…

Da war sie endlich wieder, die Sonne. So genossen wir bei Sonntagswetter ein Sonntagsfrühstück mit Sonntagsausblick.

IMG_8817Gut gestärkt ging es zum Markt, wo uns ein buntes Treiben erwartete, ein wahres Sammelsurium an Waren, die ohne erkennbare Ordnung die oft an einem einzigen Stand nebeneinander angeboten wurden. Pfirsiche, Käse, Nägel und Plastikschlappen, oder Fleisch mit Blumen.

IMG_8883Am Ortausgang fand auch der Viehmarkt statt. Dort wurden die erworbenen Tiere mal auf altertümlichen Pferdewagen, mal im modernen LKW, andere durfte auf der Rückbank eines Lada‘s Platz nehmen.

Dann ging es nach Iqalto, einem Kloster mit Kreuzkuppelkirche, das von einem weiteren der 13 Syrischen Väter, nämlich Zenon, im 6. Jahrhundert gegründet wurde. Die Akademie war einst die bedeutendste in Ostgeorgien, heute ist sie eine malerische Ruine. Um die bereits restaurierte Dreifaltigkeitskirche betreten zu dürfen, mussten wir einen Wickelrock zusätzlich zum Kopftuch umbinden, denn in Georgien geht man davon aus, dass Frauen im Rock zu gehen haben. Zum Kloster gehörte auch ein großer Weinkeller, in dem schon im Mittelalter Wein gekeltert wurde. Was den bayrischen Mönchen das Bier, ist den georgischen der Wein…

IMG_8922Im benachbarten Alaverdi war die zwei-bis dreistündige Sonntagsmesse noch in vollem Gange. Innenbesichtigung nicht möglich, da geschlossene Gesellschaft, was so viel heißt wie: Ungläubige sind auch im schicken Röckchen nicht erlaubt. Die Basilika von Alaverdi war immerhin die Hauptkirche des Bischofs von Kakhetien.

Am Fuße des Großen Kaukasus entlang wurden riesige Schafherden getrieben, begleitet von mehreren Hirten, Hunden und Pferden. Und wir mitten in der Herde.

IMG_8974 IMG_8992Trotzdem erreichten wir bald darauf Gremi, eine ehemalige Hauptstadt Kakhetiens mit Burg, Kloster mit Kirchen, Karawansereien und türkischen Bädern. Wir erklommen die einzig erhaltene Kirche, geweiht der Entschlafung Mariens und kamen gerade rechtzeitig zum Ende des Gottesdienstes. Der Pfarrer spendete eben den Segen und besprenkelte die Gläubigen, die an ihm vorbei defilierten mit Weihwasser. Der Andrang war besonders groß, da in der georgisch-orthodoxen Kirche am 21. September der Tag der Geburt Mariens gefeiert wird. Wie üblich wurde alles und jeder heftig geknutscht. Als die Kirchgänger von Traktoren zurück in ihre Heimatdörfer gebracht wurden, hatten wir Zeit und Muße, die Fresken in Ruhe zu bestaunen. Den Abfahrenden konnten wir vom über 40 m hohen Glockenturm, den wir über hohe und schmale Stufen erklommen, noch lange nachsehen.

Über das Gombori-Mittelgebirge, das Kakhetien von Kartlien trennt, fuhren wir über eine landschaftlich wunderschöne Strecke Richtung Tbilisi zurück.

Etwa 25 km vor Erreichen der Hauptstadt war die Straße wegen Brückenbauarbeiten nur einspurig befahrbar. Bevor wir das allerdings feststellen konnten wurde uns ein Schauspiel der besonderen Art geboten: sobald Otto-Normal-Georgier ein Stauende erreicht, hat er scheinbar den unwiderstehlichen Drang entweder links – trotz nicht abreißendem Gegenverkehr – zu überholen oder rechts auf dem Standstreifen, der unbefestigtes Bankett ist, doppelspurig vorbei zu drängeln. Oder beides. Auf jeden Fall ist zwischenzeitlich aus einer Spur eine vierreihige Phalanx geworden. Besonders anfällig für dieses Fahrverhalten sind Fahrer deutscher Markenfabrikate mit bekanntlich eingebauter Vorfahrt. Irgendwann ist jeder Quadratmillimeter aufgefüllt, dann gilt es, so schnell wie möglich das Gefährt zu verlassen und den nächsten Hügel zu erklimmen und mit Feldherrenmine die Lage zu peilen. Am Beginn der Baustelle standen vier Polizisten, zwei davon in heiterem Geplauder, die beiden anderen versuchten eher hi8lflos aus den vier Spuren wieder eine einzige zu machen. Was sollen wir sagen: es gelang!

Und so erreichten wir am frühen Abend Tbilisi und konnten noch einen Bummel auf dem Hauptboulevard, Rustaveli Prospekt, zwischen Freiheitsplatz und dem Platz der Rosenrevolution unternehmen.

Am Abend dinierten wir im Edelrestaurant „Tabla“ und machten erstmalig Bekanntschaft mit georgischem Wein, der nach klassischem europäischem Kelterverfahren hergestellt wird – Saperavi.

Der Wein schimmert dunkelrot in unseren Gläsern und schmeckte vollmundig nach dunklen Beeren und Kräutern – sehr lecker. Leider haben uns auch jeweils zwei Gläser ziemlich müde werden lassen. Und auch Herr Konfuze lallt: „Aus 1 mach 4 bei 14% und Du bist 9 gefällt.“

 

Ins Land der Wilis und des Weins

Auf geht es in Richtung Kakhetien (Kachetien), der größten georgischen Provinz im Osten des Landes. Kurz nach dem Verlassen von Tbilisi dann das Abenteuer Picknickeinkauf im Supermarkt. Trotz weiterhin mangelnder Sprachkenntnisse – von der hiesigen Schrift ganz zu schweigen -, kamen uns aber doch viele Dinge recht bekannt vor: das gesamte Gut&Günstig-Sortiment von Edeka auf 15 m², natürlich mit Originalverpackung und auf deutsch. Wir erstanden einige georgische Spezialitäten wie Spinat-Walnuss-Aufstrich, Auberginen-Knoblauch-Salat und Lamm-Würstchen, dann konnte die Fahrt weitergehen.

Bei Sagharejo zweigten wir nach Süden zur aserbaidschanischen Grenze ab und die Landschaft begann mehr und mehr dem armenischen Steppenland zu ähneln. Mit jedem Meter nahm die Straße ebenfalls armenische Zustände an, es fehlten nur die „Hoppa“-Rufe unseres armenischen Fahrers, die er immer ausstieß, wenn ein Schlagloch besonders tief war. Unser georgischer Fahrer Tariel blieb auch noch ruhig, als sich der Weg dann gänzlich zur Piste entwickelte.

Schließlich erreichten wir David Gareja, den östlichsten Vorposten des historischen Christentums und benannt nach einem der sogenannten 13 Syrischen Väter. David zog sich in die menschenleere Gebirgsgegend in die Einsiedelei zurück, nachdem man ihn wegen nicht begangener Freveltaten steinigen wollte und grub sich in den weichen rötlichen Sandstein eine Mönchsklause. Eine wachsende Schar von Schülern folgte seinem Beispiel und so entstanden letztlich gar 19 Klöster in der Gegend, vier davon heute auf aserbaidschanischem Territorium. Wir besuchten das Höhlenkloster, in dem sich David im 6. Jh. niedergelassen hatte, und das trotz Zerstörung durch Seldschuken und Mongolen, Perser und Türken immer wieder belebt wurde. Über drei Etagen gruben die Einsiedler ihre Mönchszellen in den Stein, jede für sich eine kleine Kirche, manche mit angeschlossenen kleinen Verliesen, in denen die Mönche oft tagelang meditierten und fasteten.

IMG_8705Auf dem Rückweg über dieselbe Holperstrecke konnten wir den Nutztierbestand genauer in Augenschein nehmen: Schafe, Ziegen, Esel, Rinder und Schweine. Während die Muttersauen mit sichtlichem Vergnügen im Dreck wühlten – vielleicht auf der Suche nach Erdöl, Gold oder Trüffeln? -, wurde der Schweinenachwuchs vom Hundenachwuchs bewacht. Man wusste nicht, wer vor wem mehr Angst hatte.

IMG_8679Nach längerer Fahrt durch das grüne Kakhetien, das hier wahrlich seinem Ruf als DIE Weinbauregion des Kaukasus gerecht wird, landeten wir in Zinandali. Hier residierte das Fürstengeschlecht der Chavchavadses, die im 19. Jh. eine Schlüsselrolle im politischen und künstlerischen Leben Georgiens spielten. Sie gehörten zum Hochadel, am Zarenhof in St. Petersburg standen ihnen alle Türen offen und Katharina die Große war gar Taufpatin von Alexander Chavchavadse. Die Museumsführerin machte uns im Eiltempo mit allen Familienmitgliedern bis in heutige Tage nebst allen Schwippschwagern, angeheirateten Dichtern, deutschen Flügeln und Klavieren, europäischen Porzellans (durfte auch mal aus Frankreich sein), bekannt.

Spätestens als uns ein Schwiegersohn als „Jämmerlicher Minister“, und das mit dem Ausdruck größter Hochachtung, vorgestellt wurde, begannen wir an unserer Bildung, Phantasie und an unserem Gehör zu zweifeln. Denn bislang dachten wir doch immer, dass der jämmerliche Minister Rösler und nicht Gribojedow hieß. Familienbande hin oder her, das Anwesen konnte sich sehen lassen. Die Zimmer und Salons waren gemütlich und stilvoll eingerichtet und auf der großen Holzveranda wie im angrenzenden englischen Park könnte man schöne Gesellschaften geben.

IMG_8781Es regnete zwischenzeitlich so heftig, dass wir kurz darüber nachdachten, ein Boot für die Weiterfahrt nach Telavi zu chartern. Doch der Wolkenbruch hörte dann doch schneller auf als befürchtet und die Wolken rissen sogar so weit auf, dass der Große Kaukasus teilweise zu sehen war. In Telavi quartierten wir uns in einer Privat-Herberge ein. Die Zimmer einfach, aber sauber, die Matratzen weich, aber schmal und das Essen hausgemacht und gut. Dazu probierten wir heute zum ersten Mal georgischen Wein, schließlich fuhren wir ja auch den ganzen Nachmittag über die Georgische Weinstraße.

Weinbau hat im Lande jahrtausendealte Tradition – manche munkeln 8000 Jahre – und noch heute wird ein Teil der Reben auf althergebrachte Weise verarbeitet. Die Trauben werden per pedes in Bottichen gestampft und gepresst, und der Rebensaft bleibt dann zusammen mit den Schalen, den Kernen, den Stielen während des gesamten Gärungsprozesses. Dann erst wird der Wein gefiltert und kommt dann in große Tongefäße, die in der Erde vergraben sind und wo ihn die Winzer oft noch jahrelang weiterreifen lassen. Wichtig beim Verzehr: es muss immer ein Tamada, eine Art Zeremonienmeister, bestimmt werden, der den ersten Toast ausbringt. Auf den Frieden, Gott, Vaterland, die Seelen der Verstorbenen, das Leben und alle Lebenden,… Hund, Katze, Maus. Früher trank man in Georgien aus Weinhörnern und weil ein Horn keinen Boden hat, immer auf ex. Heute darf man aus Gläsern in mehreren Etappen trinken, aber man MUSS in Kakhetien immer bis auf den letzten Tropfen austrinken. Gagimardschos! გაგიმარჯოს!

Konfuze, heute leicht angesäuselt: „Dse, dse ist keine Fliege und Schwilis wohnen auf keinen Fall im Westen.“